Arbeiten für 80 Cent die Stunde?

Wir schließen uns hiermit der Kampagne des Café Internationale gegen die sog. Flüchlingsintegrationsmaßnahmen an!

Die Gruppe schreibt:

„In unserem letzten Café konnten wir die Auswirkungen des
Integrationsgesetzes vom Juli 2016 auf davon Betroffene feststellen:
Ungläubige Gesichter, Unverständnis und Wut über die ersten uns
bekannten angeordneten „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ (im folgenden:
FIMs). Menschen mit Duldungs-Status, ohne Arbeitserlaubnis oder Zugang
zu intensiven Sprachkursen, bekamen postalisch Anweisung vom Sozialamt,
sich zu „FIMs“ einzufinden – kaum 10 Tage vor Beginn dieser. Für einen
Stundenlohn von 80 Cent bei 6 h/Tag, 30 h/Woche, zunächst 6 Monate
sollen Geflüchtete, denen bislang wirkliche berufliche und
gesellschaftliche Zugänge verwehrt bleiben, nun also an Seen,
Sportplätzen und den eigenen Unterkünften Grünflächenpflege u.ä.
betreiben. Wir, und freilich die Menschen, über die hier verfügt wird,
bewerten diese Maßnahmen im Einzelnen als Zwang in
Ausbeutungsverhältnisse, allgemein als Missachtung von Menschenrechten
und rassistische Ungleichbehandlung. Nicht zuletzt als schikanös und
scheinheilig, denn wie soll hiervon die von der Gesetzgebung
proklamierte „integrative“ Wirkung ausgehen?

100.000 „Stellen“ dieser Art sind nach dem Gesetz bundesweit vorgesehen.
Die Sanktionierungsmöglichkeiten der Behörden bei Nicht-Antreten dieser
Tätigkeiten sind straff, ein rechtliches Vorgehen gegen die „FIMs“ ist
nach unseren wenigen bisherigen Informationen kaum möglich. Dass
beschriebene Maßnahmen wohl eher desintegrativ und prekarisierend wirken
und nicht ohne Folgen für den Arbeitsmarkt bleiben werden, beschreibt
dieses Verdi-Zitat:

„Bereits in der Vergangenheit haben die „Ein-Euro-Jobs“ als Kernstück
der Hartz-Reformen nicht als Sprungbrett in den regulären Arbeitsmarkt
gewirkt. Statt zur Integration in sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung haben sie zur Verdrängung regulärer Arbeitsverhältnisse
beigetragen. Denn die Arbeitsgelegenheiten können auch von
privatwirtschaftlich tätigen Unternehmen, die Aufnahmeeinrichtungen oder
Gemeinschaftsunterkünfte betreiben, genutzt werden. Auch finanzschwache
Kommunen dürfen bestimmte Tätigkeitsbereiche in „Ein-Euro-Jobs“
überführen, die bisher als Helfertätigkeiten klassifiziert waren. Damit
sinkt die Chance für niedrig qualifizierte Menschen, seien es bereits
hier lebende Beschäftigte oder Geflüchtete, einen Einstieg in eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem Niveau des
Mindestlohns oder höher zu finden.“

Stimmen für die „FIMs“, wie einige Kommunen und konkrete
Arbeitgeber*innen, die sich die Hände nach billigen Aufträgen und
Arbeitskräften reiben dürften, gibt es bereits. Für andere Aspekte des
Gesetzes wie den Zugang von Geflüchteten zu Leiharbeit sprechen sich
Arbeitgeber*innenverbände wohl schon länger aus.

Wir rufen Medien, Verbände, Kirchen, Hochschulen, Initiativen,
Anwält*innen und Privatpersonen auf, sich an einer antirassistischen und
humanistischen Kampagne gegen die „FIMs“ (und weitere kommende Praxen im
Zuge des Integrationsgesetzes) zu beteiligen. Jetzt! Denn die Maßnahmen
laufen, zumindest im Saalekreis, gerade an, Sanktionen für Menschen, die
sie boykottieren, werden nicht lang auf sich warten lassen. Wir hoffen,
dass ProAsyl und die Flüchtlingsräte, die Gewerkschaften und Kirchen
in Deutschland die Gelegenheit nutzen werden, um in Zeiten des rechten
Rollbacks soziale Kämpfe zu verbinden und dem steigenden Konkurrenzdruck
unter Arbeitenden und Lohndumping auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken!“

 

Weitere Informationen, kritische Stellungnahmen und Meinungen:

Pro Asyl: Verabschiedung des Integrationsgesetzes im Bundestag

Pro Asyl: Brandbrief an Bundesregierung zum Integrationsgesetz

Stellungnahme des DGB

Diakonie: Integrationsgesetz

 

Kontakt:

gegen.masznahmen@riseup.net (für die Kampagne) sowie cafeinternationale@posteo.de