How to Make a Country Safe

 Katharina E. proudly presents:
How to Make a Country Safe

Problemstellung und Ziel
Sie sind eine Regierung und möchten Staatsausgaben reduzieren, indem Sie Menschen, die vor Menschenrechtsverletzungen fliehen, nur noch sehr eingeschränkt aufnehmen. Das Recht auf Asyl völlig abzuschaffen ist momentan jedoch politisch (noch) nicht durchsetzbar. Das vor Ihnen liegende Konzept wurde von namhaften Marketingexpert*innen und Kommunikationswissenschaftler*innen zur Lösung dieses Dilemmas entwickelt.

Schritt 1
Sie benötigen eine Gruppe an Geflüchteten, die ein bestimmtes Merkmal trägt. Idealerweise wählen Sie dabei eines, das in der Bevölkerung bereits mit negativen Vorurteilen behaftet ist, z.B. die ethnische Zugehörigkeit zur Gruppe der Rom*nija. So können während der gesamten Laufzeit des Konzepts nützliche Synergieeffekte entstehen.

Schritt 2
Fördern Sie bestehende Tendenzen der Medien in Ihrem Staat, vorrangig negativ über Ihre Zielgruppe zu berichten. Lassen Sie in regelmäßigen Abständen namhafte und nichtnamhafte Politiker*innen sich zu der Zielgruppe und den mit ihr verbundenen und nicht verbundenen Problemen äußern. Überspitzen Sie dabei, sodass klare, anschauliche Zitate das Interesse der Leser*innen und Hörer*innen wecken. Es kann hilfreich sein, sich Sozialschmarotzer*innen-Mythen zu bedienen. Auch der gezielte Einsatz von Bildern ist zu empfehlen, im vorliegenden Fallbeispiel eignen sich etwa bettelnde Frauen mit Kindern, die in bunte Tücher gehüllt sind und ein Schild in die Höhe halten, auf dem steht „Ich habe Hunger.“

Schritt 3
Sorgen Sie für Überlastung in Ihren Verwaltungsorganen. Begegnen Sie dem dadurch entstehenden Arbeitsstau alternativlos: Machen Sie die Notwendigkeit von drastischen Vereinfachungen deutlich. Erheben Sie die Ablehnung aller Rechte, die Ihre Zielgruppe geltend macht, zur behördeninternen Leitlinie. Heben Sie die daraus entstehenden niedrigen Anerkennungsquoten in Statistiken deutlich hervor und werten Sie sie als Beweismittel für die Unbegründetheit von allem, was Ihre Zielgruppe hervorbringt.

Schritt 4
Es ist Zeit, institutionell politisch aktiv zu werden. Ihrer Bevölkerung sollte nach der erfolgreichen Durchführung von Schritt 3 ausreichend klar geworden sein, dass sie benutzt wird – von der Zielgruppe. Zeigen Sie deshalb den Mut, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen, und machen Sie deutlich, dass Ihre Weltsicht noch nicht durch Sozialromantik vernebelt ist. Treten Sie den Gefährdungen durch die Zielgruppe entschieden entgegen. Planen Sie einen Gesetzesentwurf.

Schritt 4a
Dieser Schritt ist optional. Er bezieht sich auf den Fall, dass Sie einen Koalitionspartner besitzen. Falls dieser trotz erfolgreicher Durchführung von Schritt 2 i.V.m. Schritt 3 wider Erwarten noch nicht die entsprechende Reife besitzt, um Ihr Gesetzesvorhaben mitzutragen, implementieren Sie 4a.
Erarbeiten Sie in diesem Fall einige Rechtsausweitungen für mehrere sehr spezifische Untergruppen Geflüchteter. Falls möglich, verwenden Sie Verbesserungsvorschläge, die schon seit Jahren oder Jahrzehnten von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen gefordert werden. Die von diesen Vorschlägen begünstigten Gruppen sollten jeweils aus nicht mehr als 40-50 Menschen pro Jahr bestehen. Besonders gut eignen sich Gruppen, über deren Unterstützung bereits gesamtgesellschaftlicher Konsens herrscht, wie z.B. Opfer von Menschenhandel. Zahlreiche, kaum spürbare Verbesserungen sind dabei grundsätzlich wenigen, aber effektiven Änderungen vorzuziehen. Sind in den Verhandlungen mit Ihrem Koalitionspartner effektive Änderungen nicht zu vermeiden, versehen Sie diese mit mindestens drei Voraussetzungen (etwa komplette Straffreiheit der Begünstigten oder „vollständige Integration“ nach Behördenermessen). So bereinigen Sie die profitierende Gruppe um diejenigen prekären Existenzen, die die Verbesserung nötig haben.
Beschließen Sie das Gesetz.

Schritt 5
Die Wirkung des Konzepts auf die Zielgruppe entfaltet nun ihre Hauptwirkung: Durch die neuen rechtlichen Gegebenheiten sind Ansprüche der Zielgruppe gegenüber Behörden nun zu 99,87% aussichtslos. Selbiges gilt zu 98,97% für Ansprüche, die diese gegenüber von Verwaltungsgerichten einzuklagen versucht. Höhere gerichtliche Ebenen werden die Klageverfahren kaum erreichen, wenn Sie dafür sorgen, dass Ihre Abschiebebehörde einigermaßen effizient funktioniert.
Verstärkt wird die Wirkung des vorliegenden Konzepts dadurch, dass zivilgesellschaftliche Gruppen ihre zeitlichen Kapazitäten und finanziellen Ressourcen Stück für Stück von der Zielgruppe abziehen. Deren Aussicht auf Erfolg ist gleich null – jede Initiative will jedoch eine größtmögliche Anzahl von Menschen effektiv unterstützen. Auch Anwält*innen werden, soweit sie ehrlich sind, von der Klage abraten, weil die Zielgruppe sich die 1000€ Honorar in Ratenzahlung vom Mund absparen müsste – umsonst. Wenn andere Anwält*innen das Mandat dennoch übernehmen und das Geld kassieren, fügt dies der Erfolglosigkeit der Klage jedoch meist ebenfalls keinen nennenswerten Schaden zu.

Schritt 6
Entmoralisieren Sie das Engagement von Initiativen und Anwält*innen, die auf einer Zusammenarbeit mit der Zielgruppe widerborstig beharren. Machen Sie deutlich, dass diese den Betroffenen Hoffnung machen, wo keine ist, und dadurch die anschließende Enttäuschung noch steigern. Stellen Sie sich auf die Seite der Zielgruppe und geben Sie an, jene vor falschen Erwartungen zu schützen. Investieren Sie in Infomobile, die die Zielgruppe bereits in den Herkunftsstaaten davor rettet, auf falsche Bleiberechtsversprechen sogenannter Gutmenschen hereinzufallen. Seien Sie ehrlich zu den Menschen.

Schritt 7
Wenn Sie es schaffen, Schritt 3 als Handlungsmuster zu etablieren, wiederholt sich das vorliegende Konzept auch ganz ohne Ihr weiteres Zutun von selbst.

 


Nachtrag: Dieser Text entstand im Frühherbst 2015. Zu diesem Zeitpunkt beschränkte sich die Liste der als sicher deklarierten Herkunftsländer auf Ghana, Senegal, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien. Bis heute (Mai 2017) wurden zusätzlich Albanien, Montenegro und Kosovo für sicher erklärt. Aktuell sind zusätzlich Tunesien, Algerien, Marokko und Afghanistan im Gespräch. Warum eigentlich nicht auch das Mittelmeer?